Autor Thema: Innerklinische Notfälle werden oft verdrängt  (Gelesen 3506 mal)

Offline Thomas Beßen

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Innerklinische Notfälle werden oft verdrängt
« am: 05. Juni 2018, 05:25:44 »
" Auch erfahrene Pflegekräfte geraten bei innerklinischen Notfällen in Panik. Experten wollen das ändern. ..."

Von Ilse Schlingensiepen unter https://www.springerpflege.de/krankenhaus/innerklinische-notfaelle-werden-oft-verdraengt/15804876

Sonnige Morgengrüße!
Thomas B.
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Re: Innerklinische Notfälle werden oft verdrängt
« Antwort #1 am: 05. Juni 2018, 07:50:52 »
Das hätte ich jetzt so nicht gedacht!
Ich kenne seid vielen Jahren die Verpflichtung am innerklinischen Notfalltraining teilzunehmen, mit schriftlichem Nachweis und die mit jährlicher Wiederholung. Auch kenne ich die freiwillige Rotation in die Zentrale Notfallaufnahme/Poliklinik, damit alle erforderlichen Handgriffe eingeübt werden um [wie im Schlaf!] zu sitzen. Nur die regelmäßige Übung ist ein Garant  für ein Gelingen. Allein das Studium der Fachliteratur reicht da nicht aus.
Das kenne ich auch aus persönlicher klinischer Erfahrung! Training, Training Training!!! Nicht nur im Sport!
Rettende Grüße, Michael Günnewig

Offline dino

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Re: Innerklinische Notfälle werden oft verdrängt
« Antwort #2 am: 05. Juni 2018, 08:43:02 »
Die meisten Notfallübungen sind reine Schulübungen. Also Puppe auf dem Boden, ohne Story, ohne Nachdenken. Ein nachhaltiger Effekt stellt sich bei multiprofessionellen Mega Code Training ein. Ausserdem ist net jeder Notfall ne Rea. Auch diese Notfälle (Fremdkörper im Auge, starke Blutung, Erkennen eines Apoplex) müssen geübt werden. Gerade in Allgemeinhäusern gibt es da Defizite, denn man hat ja die Anästhesie, die macht dat schon. Fachwissen ist sekundär, die Organisation ist primär.
VG
dino

Offline dino

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Re: Innerklinische Notfälle werden oft verdrängt
« Antwort #3 am: 20. Juni 2018, 21:56:55 »
So, nun mal ebbes ausführlicher. Ich wollte mich im Urlaub net unbedingt damit befassen. Also, Notfälle in der Klinik. Das Thema ist so alt wie es Kliniken gibt. Im Allgemeinen gliedern sich Notfallfortbildungen in die Drillmäßige Ausbildung und anschließend in realistische Notfallübungen. Das bedeutet, Schüler werden mit diesem System "groß". In einem Haus mit eigener Krankenpflegeschule, sowie Schüler die gerne bleiben oder auch zurückkommen, von unschätzbaren Wert.

Aber warum am Anfang drillmäßiges Üben?
Das gerätebezogene Training  ist eine Übung zur Handhabung des Notfallequipments. Es  dient vor allem dem sicheren, raschen und gewandten Umgang mit dem Notfallequipment,  wie  Beatmungsbeutel, Tourniquet etc. auch in schwierigen Situationen.
Inhalte sind unter anderem das Zusammensetzen des Beatmungsbeutels, Bedienen des Defis incl. seiner Zusatzfunktionen. Ziel des gerätebezogenen Trainings ist die sichere Beherrschung des Notfallequipments  unter allen Umständen. Deswegen müssen Helfer auch mit verdeckten Augen (Simulation von Dunkelheit) oder nach körperlicher Belastung ( Laufschritt, Treppen steigen ) alle Tätigkeiten schnell und sicher ausführen können.
Der Sinn dieses Trainings  ist es, verschiedene Standardabläufe, wie oben aufgezählt,  als Automatismus zu verinnerlichen, damit sich der Helfer (SB PP, Arzt) im Notfall auf die konkrete  Notfallsituation konzentrieren kann, ohne sich bewusst Gedanken z. B. über  Bedienung des Beatmungsbeutel machen zu müssen.
Hintergrund ist die Überlegung, dass jemand, der durch bloßes Fühlen auch kleinste Teile dem richtigen Gerät  zuordnen und in dieses  einsetzen kann, sein Equipment ,beherrscht.

Was wird nun in den realistischen Notfallübungen erwartet?
Der Teilnehmer
kennt Herkunft und Bedeutung der aktuellen Richtlinien zur Reanimation
erkennt einen Herz- Kreislauf- Stillstand (HKS) anhand typischer Zeichen
kennt den Unterschied zwischen hypo- und hyperdynamen HKS,
erkennt die jeweiligen Rhythmusbilder und kann sie benennen
kennt reversible Ursachen für einen HKS, kann sie erläutern und ggf. beheben
kennt die Gerätepositionierung bei optimalen Bedingungen
und wendet sie praktisch an
kennt Maßnahmen des Basic Life Support (BLS) und wendet sie praktisch an
kennt Maßnahmen des Advanced Life Support (ALS) und wendet sie praktisch an
kennt Maßnahmen der Reanimationsnachsorge und wendet sie praktisch an

Richtlinien zum Notfallmanagement
Durchführungsempfehlungen/ -richtlinien zur Reanimation von einschlägigen Fachgesellschaften anhand wissenschaftlich belegten Studien
Aktualisierung alle 5 Jahre

Realübung nach dem Mega- Code Konzept

Mega –Code steht für:
-   die Behandlung der vielfachen Formen des HKS
-   einheitliche, standardisierte Behandlungsabläufe für das bestmögliche Outcome des Patienten
-   einsatztaktisches Hilfsmittel zur Behandlung von HKS
-   feste Regel für effiziente Patientenversorgung

Und wie laufen die Übungen ab?
Die Mitarbeiter melden sich schriftlich zur Fortbildung an. Der Dozent weiß vorher genau wieviele Mitarbeiter kommen und aus welchen Bereich. So können, neben der obligaten Reanimation, auch spezielle Notfallbilder beübt werden. Die Teilnehmer bekommen erst nach der Teamzusammenstellung das Notfallszenario genannt. Alles Andere liegt in deren Hand.

Beginnn nach fiktiven Notruf, Zusammenstellung des Notfallteams:
Einheit:      Müller, Meier, Schulze

Auftrag:      bewußtlose Person, Erstversorgung

Mittel:      Notfallbag und Defi

Weg:         über den langen Flur

Ziel:         in die Cafeteria

Die angenommenen Szenarien spiegeln vergangene Realfälle ab. Aber auch Notfälle aus umliegenden Häusern werden aufgenommen. Bei Realübungen ist die Motivation sowie der Lerneffekt höher als bei reinen "Schulübungen". Handwerker, Gärtner, Verwaltung, für sie gibt es ein abgestuftes Notfallprogramm. Bei einigen Notfällen waren sie uns eine wichtige, wenn nicht sogar entscheidende, Unterstützung. Denn das beste Equipment, die beste Ausbildung, ist für die Füße wenn sie zu spät kommt. Es soll übrigens Leute geben, die sich gerne in "ihrer Profession", wie sie es nennen, abkapseln. Sowas ist unprofessioneller Quatsch. Es kommt auf uns alle an, wir sind alle Kollegen. Hier meine Definition zu dem Wort Kollege: Ein Kollege ist jemand auf den ich mich verlassen kann, egal aus welchem Bereich (weiß, Technik, Verwaltung etc.) er kommt.

Eine weitere entscheidende Voraussetzung für eine optimale Notfallversorgung ist ein standardisiertes Equipment auf allen Ebenen. Jede Station hat einen identisch ausgerüsteten Notfallbag. Zusatzausrüstungen, wie z. B. der Standort von Beta2 Vernebler, sind bekannt. auch die Ampullarien sind identisch.
Ebenso wichtig ist selbstredend das Üb- Material. Von dem Rea- Phantom mit Intubationskopf und iv Möglichkeit über einen speziellen Übungsdefi bis hin zu 3D Organen ist Alles vorhanden. Die Massnahmen insgesamt spiegeln die große Bedeutung wieder, die das Notfallmanagement auch für unsere Kliniksleitung darstellt.

Wie immer zum Schluss das Wichtigste:

Wichtig ist das Gerät, mit dem wir Arbeiten,
wichtiger ist die Hand, die das Gerät führt,
doch am Wichtigsten ist der Geist, der die Hand lenkt

VG
dino

« Letzte Änderung: 21. Juni 2018, 04:35:49 von dino »

Offline dino

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Re: Innerklinische Notfälle werden oft verdrängt
« Antwort #4 am: 27. Juni 2018, 09:34:42 »
Hier noch ein Beitrag der sehr gut zum Thema passt: https://www.xing.com/news/articles/uni-klinik-dresden-innerklinische-notfallteams-sichern-uberlebensrate-1498233
Vor diesem Hintergrund kann ich nur zum N Male fordern das ein Pflichteinsatz in Insensiv/Anästhesie/ZNA ins Curriculum gehört.
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dino