Autor Thema: Neue Personalbemessung in der Psychiatrie - »Geheimniskrämerei ist ein Unding«  (Gelesen 4026 mal)

Offline Thomas Beßen

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Dies kam während meines Urlaubs bei mir reingeschneit:

Offener Brief der Interessenvertretungen in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern und Fachabteilungen

An:
den Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn
das unparteiische Mitglied des Gemeinsamen Bundausschusses (G-BA), Dr. Regina Klakow-Franck
die designierte Nachfolgerin als unparteiisches Mitglied im GBA, Frau Prof. Dr. Elisabeth Pott,
die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages
den Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß
die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer

Juni 2018 Betrifft: Personalbemessung in den stationären psychiatrischen Einrichtungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, Betriebs- und Personalräte, Mitarbeiter- und Schwerbehindertenvertretungen in den Psychiatrischen Fachkliniken und Psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, treten für bedarfsgerechte Personalmindeststandards in der Krankenhauspsychiatrie ein. Die bisherige Entwicklung dieses Kernstücks des 2016 verabschiedeten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung in Psychiatrie und Psychosomatik (PsychVVG) beobachten wir mit großer Sorge.
Das PsychVVG enthält wesentliche Schritte in die richtige Richtung, wie die Wende zu einem budgetbasierten Entgeltsystem und die Nachweispflicht für die Personalausstattung. Gleichzeitig bleiben mit PEPP als Abrechnungssystem sowie dem bundesweiten Krankenhausvergleich starke pauschalierende und Wettbewerbselemente enthalten, die zu Fehlentwicklungen bei der Behandlungsqualität und der Personalausstattung führen können, wenn keine klaren Standards gesetzt werden.
Ein wegweisender positiver Aspekt im PsychVVG ist, dass es für den Bereich der stationären psychiatrischen Einrichtungen weiterhin verbindliche Personalvorgaben geben wird. Die Auftragsbearbeitung im Gemeinsamen Bundesausschuss ist jedoch intransparent. Die Beschäftigten, die unmittelbar betroffen sind, werden nicht informiert. Arbeitnehmervertreter/innen sind in die Entwicklung der Mindestvorgaben für die Personalausstattung nicht eingebunden. Nach den uns vorliegenden Informationen ist bislang völlig unklar, wie die neuen Mindeststandards praktisch aussehen können und nach welchen Kriterien diese erstellt werden. Es besteht Grund zur Sorge, dass der G-BA seinem Auftrag nicht gerecht wird.

Die zu entwickelnden Mindestvorgaben müssen eine bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie jederzeit sicherstellen, sie sind Voraussetzung für eine hohe Versorgungsqualität und gewährleisten gute und sichere Arbeitsbedingungen. Wir stehen für den Anspruch, gute, humane psychiatrische Versorgung umfassend und für alle Patient/innen - unabhängig von der Diagnose, Herkunft, Religionszugehörigkeit und sozialem Stand - zu leisten.
Als Interessenvertretungen sind wir jedoch alltäglich mit den Folgen unzureichender Personalausstattung für Beschäftigte und Patient/innen konfrontiert.

Wir erleben in vielen Kliniken zunehmend alltägliche Überlastungssituationen unserer Kolleginnen und Kollegen.

Vielerorts sind wir mit einer steigenden Zahl an Mehrarbeit und Überstunden konfrontiert. Ein verlässlicher Dienstplan ist oft nicht mehr umzusetzen. Immer wieder springen Kolleg/innen aus ihrer Freizeit heraus ein, um angesichts des Personalmangels adäquate Versorgung noch zu gewährleisten.

Die Betreuung von Patient/innen durch Fachkräfte, wie in der PsychPV und teilweise in den PsychKHGs (1:1-Betreuung) vorgesehen, wird unterlaufen. Zuletzt haben zahlreiche Expert/innen vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Zusammenhang zwischen Personalmangel und vermehrten Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen hingewiesen.

Wir erleben eine Zunahme von Gewalt und Aggression gegenüber den Beschäftigten, die maßgeblich durch personelle Unterbesetzung mitverursacht wird und bei zu dünner Personaldecke nicht angemessen aufgefangen werden kann.

Wir sehen mit Sorge, dass viele Kolleg/innen aufgrund der wachsenden Belastungen aus dem Berufsfeld abwandern oder junge Kolleg/innen nach der Ausbildung nicht bleiben. Einer „Flucht aus dem Krankenhaus“ kann durch die Sicherstellung adäquater Arbeitsbedingungen entgegengewirkt werden.

Die bisher geltende Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) wird noch immer nicht zu 100% umgesetzt - hier sehen wir zwar Verbesserungen durch die Nachweispflicht, die jedoch noch nicht ausreichen. Darüber hinaus deckt die PsychPV die gestiegenen Anforderungen und Aufgaben und damit den eigentlichen Personalbedarf nicht mehr vollständig ab. Besonders betroffen sind die Kolleg/innen in der Pflege, aber auch in anderen Berufsgruppen besteht Nachbesserungsbedarf.

Als Interessenvertretungen in den psychiatrischen Krankenhäusern und Fachabteilungen setzen wir uns für den Arbeits- und Gesundheitsschutz unserer Kolleg/innen ein. Um diesem Auftrag gerecht werden zu können, brauchen wir bedarfsgerechte Regelungen zur Personalausstattung. Die Personalmindeststandards müssen die vielfältigen Aufgaben aller medizinisch-therapeutischen Berufsgruppen - auch und gerade der Pflege - berücksichtigen und die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzrechte ermöglichen. Die Vorgaben müssen verbindlich, kohärent, lückenlos und transparent sein. Sie müssen die nichtstationären Behandlungsformen der Einrichtungen (z.B. stationsäquivalente Behandung) einbeziehen. Ausfallzeiten müssen realistisch einbezogen werden. Schlupflöcher müssen vermieden und die Umsetzung kontrolliert werden. Bei Nichterfüllung der Vorgaben muss es klare Konsequenzen geben.

Ein ausführliches Positionspapier zur PsychPVplus findet sich hier auf der Webseite der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di: http://kurzelinks.de/psychpvplus

Wir schließen uns der Forderung nach einer PsychPVplus an und fordern Sie dazu auf, darauf hinzuwirken, dass die neuen Personalmindeststandards diesem Anspruch gerecht werden.

Unterzeichnende Interessenvertretungen / Gremium (Personalrat/Betriebsrat) / Einrichtung

AGAPLESION DIAKONIEKLINIKUMS ROTENBURG gGmbH AMEOS Klinik Osnabrück
AMEOS Klinikum Hildesheim
AMEOS Klinikums Dr. Heines in Bremen
AMEOS Klinikums Haldensleben
AMEOS Krankenhausgesellschaft Holstein mbH
Asklepios Fachklinikums Stadtroda
Asklepios Klinikums Nord, Hamburg
Asklepios Psychiatrie Niedersachsen GmbH
Asklepios Westklinikum Hamburg GmbH
Bezirkskliniken Mittelfranken
Bezirkskliniken Schwaben am Bezirkskrankenhaus Günzburg Bezirkskliniken Unterfranken
Bezirksklinikum Ansbach
Bezirkskrankenhauses Lohr
Personalrat des Schwerbehindertenvertr. des Personalrat des
Personalrat des Bezirkskrankenhauses Memmingen
Carl-Thiem Klinikums (CTK gGmbH) Cottbus
Dr. von Ehrenwall ́schen Klinik
Eichhof-Stiftung Lauterbach
EKA Erzgebirgsklinikum Annaberg gGmbH
Elbe Klinikums Stade
Elblandklinikums, Radebeul
Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne / Castrop-Rauxel gGmbH
Fachklinik St. Camillus Duisburg
Fachklinikums Bernburg der Salus gGmbH
Fachklinikums Uchtspringe
Furtbachkrankenhauses Stuttgart
Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke
Havelland Kliniken GmbH
Katholischen Kliniken Ruhrhalbinsel
kbo Inn-Salzach-Klinikum gGmbH
Klinik am Kasinopark
Klinik Nette-Gut für forensische Psychiatrie
Kliniken des Landkreises Heidenheim gGmbH
Klinikum Emden gGmbH
Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH
Klinikum Hochsauerland GmbH; Standorte Arnsberg, Neheim und Hüsten
Klinikum Kassel GmbH
Klinikum Oldenburg AÖR Klinikum Wahrendorff GmbH Klinikums am Europakanal Klinikums Aschaffenburg-Alzenau Klinikums Nürnberg
Klinikums Nürnberg
Klinikums Nürnberg, Standort Nord Klinikums Schloß Winnenden
Örtlicher Personalrat des Betriebsrat der Betriebsrat des
Klinikums Stuttgart
Klinikums-Karlsbad-Langensteinbach
Krankenhaus und Heime Main-Tauber GmbH
Krankenhäuser und Heime Schloss Werneck
Krankenhauses Pirmasens
Leopoldina Krankenhaus GmbH Schweinfurt
LVR Klinikums Düsseldorf
LVR-Klinik Bedburg-Hau
LVR-Klinik Langenfeld
LVR-Klinik Viersen
LWL- Klinikum Gütersloh
LWL-Klinik Dortmund
LWL-Klinik Lengerich
LWL-Klinik u. LWL-Kinder- u. Jugendklinik Marsberg
LWL-Kliniken Lippstadt und Warstein
LWL-Universitätsklinikums Bochum
Main-Kinzig-Kliniken gGmbH
Maßregelvollzugs Uchtspringe
medbo – Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz
medbo Regensburg
MediClin Klinik an der Lindenhöhe
Ökumenischen Hainich Klinikums gGmbH
Pfalzklinikums für Psychiatrie und Neurologie AdöR
Psychosozialen Trägervereins Solingen
Regio Kliniken GmbH
Rheinhessen-Fachklinik Alzey
Rhein-Mosel-Fachklinik
Saale- Unstrut Klinikums Naumburg der Klinikum Burgenlandkreis GmbH
SKH Rodewisch
SRH Wald-Klinikum Gera GmbH
Städtischen Krankenhauses Eisenhüttenstadt GmbH
Personalrat des Universitätsklinikums Frankfurt am Main Universitätsklinikums Leipzig Universitätsklinikums Ulm Verbundkrankenhauses Bernkastel-Wittlich Vereins "die Brücke"
Vitos Haina gGmbH
Vitos Kurhessen gGmbH / Bad Emstal
Vitos Rheingau
Vitos Riedstadt gGmbH
Vitos Weil-Lahn
Vorwerker Diakonie in Lübeck
Zentrum für Psychiatrie Calw, Klinikum Nordschwarzwald
Zentrum für Psychiatrie Zwiefalten
Zentrums für Psychiatrie Emmendingen
Zentrums für Psychiatrie Reichenau
Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg - Dienststelle Weissenau
Zentrums für Psychiatrie Weinsberg, Klinikum am Weissenhof


Siehe auch: https://gesundheit-soziales.verdi.de/++file++5b3a41ef56c12f583bd823df/download/Offener_Brief_IVen_PsychPVplus20180628.pdf

Beste Grüße!
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.